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Brief an Ralf Stegner (SPD-DE)

10/2/2014

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Sehr geehrter Herr Stegner

Ihr Twitter-Statement „Die spinnen, die Schweizer!“ wurde auch hierzulande zur Kenntnis genommen. Besten Dank für Ihren Kommentar! Sie können sich sicher vorstellen, dass die Reaktionen darauf nicht ausnahmslos positiv sind. So habe auch ich mir Gedanken darüber gemacht, was einen deutschen Politiker dazu motiviert, unser Abstimmungsergebnis zur Masseneinwanderungsinitiative in dieser Art und Weise zu kommentieren. 
Eigentlich könnte es Ihnen egal sein, was wir Schweizer so treiben. Sollte man den EU-Exponenten glauben schenken, so ist die Institution auf die Schweiz ja nicht angewiesen und wir sind quasi ein kleiner, weisser Fleck auf der europäischen Landkarte. Wie man sieht, machen Sie sich trotzdem Gedanken um uns, und da stellt sich mir die Frage weshalb.
Ich mutmasse mal, dass es im sozialdemokratischen Gedankengut liegt, sich generell um alle Sorgen zu machen und Gutes zu tun. Das ist nett, ich kann Ihnen aber versichern: wir können für uns selbst sorgen.
Ich bin mir bewusst: Die Schweiz hat nicht immer nur für positive Schlagzeilen gesorgt. Nichts desto Trotz müsste es Ihnen eigentlich zu denken geben, dass es mitten in Europa einen „nicht EU Staat“ gibt, welcher den grössten Wohlstand, die höchste Innovationskraft und die kleinste Arbeitslosigkeit aufweist und welchem, nota bene, die Bürger nicht davon laufen (nicht einmal die reichen Steuerzahler!). Selbst die aktuelle Europakrise ist bisher fast spurlos an uns vorbeigegangen, mal abgesehen von ein paar Staaten, welche versuchen, verlorengegangene Steuergelder bei uns wiederzufinden. Kann es sein, dass da ein wenig der Neid aus Ihnen spricht?

Lieber Herr Stegner. Ihrem Lebenslauf ist zu entnehmen, dass Sie Ihre Karriere hauptsächlich an Universitäten und im Staatsdienst entwickelt haben. Ich bin mir nicht so sicher, ob Sie jemals vom Arbeiten schmutzige Hände hatten (…und lasse mich gerne eines Anderen belehren). Ich befürchte, dass Sie zu jener Gilde von politisch tätigen Menschen gehören, welche jeglichen Bezug zu den Teilen der Bevölkerung verloren haben, welcher täglich im „Stollen“ steht und im Kleingewerbe oder der Industrie um seinen Arbeitsplatz kämpfen muss. Nicht-Akademiker sind nicht per se geistig verblödet! Wir können uns aber leider nicht vom Staat für’s Philosophieren bezahlen lassen.
Auch in der Schweiz kennen wir solche Politiker. Das hatte zur Folge, dass die zur Umsetzung des Personenfreizügigkeitsabkommens nötigen flankierenden Massnahmen von unserer Politelite (insbesondere der Sozialdemokraten und der FDP) konsequent verhindert wurden. Wir kämpfen heute mit Lohndumping, einer Mietzinsexplosion, mit Verkehrsproblemen und einer massiven Zunahme der Ausländerkriminalität. Weshalb wundert Sie unser Volksentscheid? Im Prinzip ist das vorallem die Quittung für die politische Untätigkeit unserer Parlamentarier. Und das, Herr Stegner, könnte Ihnen in Deutschland oder anderen europäischen Ländern eines Tages auch blühen.
Ich kann sehr wohl nachvollziehen, dass sich das Brüsseler Establishment mit aller Kraft gegen die freiheitlichen Tendenzen in der Schweiz wehrt. Sollte das in der EU Schule machen, steht das ganze Staatengebilde auf dem Spiel. Das rechtfertigt es allerdings noch lange nicht, uns vorschreiben zu wollen, was wir zu tun haben. Die Schweiz ist immer noch ein souveräner Staat und darf solche Entscheide direktdemokratisch fällen. Das verdient meiner Meinung nach Respekt, nicht Schelte!
Wir Schweizer werden auch in Zukunft daran interessiert sein, Fremde in unser Land zu lassen. Wir sind wegen diesem Volksentscheid noch längst keine Rassisten. Es geht viel mehr darum, es zu verhindern, dass unsere Bevölkerung jährlich um 1% durch Zuwanderung wächst. Wir können das weder infrastrukturell, noch wirtschaftlich auffangen. Bei über 23% Ausländeranteil sollte man auch als Sozialdemokrat ein gewisses Verständnis für die Probleme aufbringen können, welche dadurch entstehen. Deshalb erwarte ich eine sachliche Debatte in und mit Europa. Äusserungen wie Ihre, sind da nicht angebracht.

Merci für Ihre Votum. Das gab mir Gelegenheit mit Ihnen Kontakt aufzunehmen. Es würde mich (und wahrscheinlich auch meine Mitschweizer) freuen, wenn Sie unsere Art der direktdemokratischen Entscheide wenigstens respektieren würden. Das hätte den positiven Nebeneffekt, dass Sie antieuropäischem Gedankengut in der Schweiz nicht noch Vorschub leisten.
„Spinnen“ heisst auch: zu hinterfragen, sich Gegenwind auszusetzen und neue Ideen zu entwickeln. Vielleicht sind gerade das unsere Stärken. Wenn ich Sie dazu motivieren kann, sich an unseren Stärken zu erfreuen und allenfalls daran teilzuhaben, so werte ich mein Schreiben bereits als Erfolg.

Mit freundlichen Grüssen aus der Schweiz
Walter Kammermann

am 10. Februar 2014 per Mail zugestellt
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